Ich war am Wochenende in meiner Heimatstadt in Südbrandenburg und das Wochenende davor habe ich mit meiner besten Freundin verbracht, mit der ich 1996 auf dieselbe Schule gekommen bin. In Kombination mit der aktuellen Dauerdebatte über Flüchtlinge und einer Diskussion mit einem jungen Russlanddeutschen kamen ein paar Erinnerungen hoch.
Über Russlanddeutsche wurde damals sehr ähnlich geurteilt wie heute über die sogenannten „Südländer“. Gewalt und Kriminalität, so die landläufige Meinung, stehen dort an der Tagesordnung. In meiner Heimatstadt kamen damals alle in ein heruntergekommenes Wohnblock-Ghetto vor den Toren der Stadt. Niemand wollte mit den Menschen wirklich etwas zu tun haben. Sie seien überhaupt nicht deutsch, sprechen ja nicht mal richtig unsere Sprache.
Ich kenne die Ereignisse um Rostock-Lichtenhagen erst durch den Film „Wir sind jung. Wir sind stark.“. Ich war damals noch nicht alt genug, um das alles zu verstehen. Aber die thematisierten Gefühle von Resignation, Zerrissenheit und Angst kenne ich sehr gut. Und das obwohl meine Heimatstadt als Hochburg der Linken galt und es sogar ein besetztes Hausprojekt gab.
Keine Klicks, sondern Respekt
Und aus diesen Erinnerungen und Erfahrungen heraus, glaube ich zu wissen, dass wir in Deutschland über völlig falsche Themen diskutieren. Es sind immer wieder nur Stellvertreterdebatten, die nie den Kern erfassen. Es geht nicht um Ausländer, Flüchtlinge, Russlanddeutsche und die Frage, ob im Osten alle Nazis sind und die DDR daran schuld ist.
Die Frage, um die es geht, ist tatsächlich, ob du als Mensch respektiert wirst. Es geht um Anerkennung für das, was du bist. Und es geht um ein Gefühl von Zugehörigkeit, dass abhanden gekommen ist.
In dieser Gesellschaft geht es nicht mehr um Menschen. Sie sind zur Ware verkommen. Das spiegelt sich auch in der Flüchtlingsdebatte wider, wo die Zuwanderung als nützlich dargestellt wird, wegen des demografischen Wandels und dem Pflegenotstand. Flüchtlinge als billige Arbeitskräfte, so wirkt die Politik von heute. Das mag bei Bürgern hier zu einem Gefühl der Austauschbarkeit führen. Sie haben das Vertrauen in Entscheider verloren, dass es am Ende schon für alle irgendwie gut wird.
Unterstützung anbieten statt Opferrolle bestätigen
Dieser Hass ist das Ergebnis von Menschen, die aufgegeben haben. Von Menschen, die das alles schon lange nicht mehr verstehen und nicht sehen, dass ihre Antworten, in noch ein viel schlimmeres Elend führen. Und um das klarzustellen. Diese Menschen sind deswegen keine Opfer – nein, du triffst als Mensch immer selbst eine Entscheidung. Niemand muss ein Arschloch sein. Aber ich finde es wichtig, das nachzuvollziehen, um eine Lösung zu finden.
Die AfD liefert hübsche Scheinantworten für Respekt, Anerkennung und vor allem die Zugehörigkeit. Wir müssen diese krude Logik brechen, in dem wir nicht mitspielen und Gräben schaufeln, sondern klare Grenzen ziehen und auf die bestehenden Probleme die besseren Antworten finden. Und vielleicht bedeutet das auch, dass wir dafür Fehler eingestehen und die Verantwortung dafür tragen müssen. Es ist nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen.
Ganz sicher aber braucht es Ehrlichkeit und den Mut und unbequeme Wahrheiten zu benennen. Sonst wird sich die Geschichte immer und immer wiederholen.
Kommentare von Martin