Das ist kein neues Thema. Tatsächlich beschäftigt es mich schon ziemlich lange. Und trotzdem finde ich noch immer ich keine zufriedenstellende Antwort. Auf den ersten Blick ist es nur eine Kleinigkeit und trotzdem Zündstoff, der ganze Welten zum Einsturz bringen kann. Die Frage nach dem Geschlecht ist nicht nur ein Gefühl, die Antwort darauf eine Revolution. Zwischen ihm und ihr liegt ein ganzes Universum. Und es wird Zeit, dass wir es entdecken.
Manchmal frage ich mich, ob ich im richtigen Körper stecke. Es ist eine ernst gestellte und doch mehr eine hypothetische Frage. Ich verhandele fasziniert den Status Quo, um dabei auch meinen eigenen Reifeprozess zu begleiten. Ich bin mir über mein Geschlecht sehr sicher und ich liebe es. Doch sich ehrlich damit auseinanderzusetzen, hat mir sehr geholfen, es neu zu entdecken. Vor allem haben es mir diese Gedanken ermöglicht, mit Konventionen und Mustern zu brechen, die mir geschadet haben.
Zu den für mich wichtigsten Erkenntnissen gehört die Tatsache, dass Geschlechter im Alltag ziemlich überflüssig sind. Sie behindern uns sogar meist, weil sie überfrachtet sind mit Vorurteilen. Im Bezug auf die Sexualität mag es noch einmal andere Hürden geben, doch handelt es sich vor allem um anatomische Probleme. Ich wünsche mir daher manchmal, wir würden die biologischen Geschlechtsmerkmale von unseren Vorstellungen von Geschlechtern lösen. Judith Butler nennt es beispielsweise das Unbehagen der Geschlechter. Es gibt großartige Menschen, wie die Musikerin Peaches, die mit tradierten Vorstellungen brechen. Und es gibt ganz gewöhnliche Menschen in meinem Umfeld, die mir die Begrenztheit der binären Welt mit Mann und Frau zeigen.
Das nichtbinäre Geschlecht
Ich bin ein sehr logischer Mensch. In der Informatik gibt es nur eindeutige Zuordnungen. Aussagen können wahr oder falsch sein. Es klingt daher zunächst merkwürdig, doch es ist kein Widerspruch zu der oben beschrieben Problemstellung. Vielmehr ist es doch so: Die ersten Computer waren begrenzt in ihren Möglichkeiten und in den Informationen, die sich speichern konnten. Auf einem Byte gibt es nur Platz für acht Bit und damit 256 Zustände. Je mehr Informationen wir speichern können, desto präziser ist eine Beschreibung möglich. Und trotzdem ist es gefährlich, einen anderen in eine Form zu pressen. Denn jeder Versuch einer genauen Beschreibung ist trotzdem immer nur eine Annäherung. Und darüber hinaus stellen wir häufig einfach nur die falschen Fragen.
Es gibt viele Begriffe, die versuchen dieses Zustand zu beschreiben. Dazu gehören nichtbinär, genderfluid oder genderqueer. Ich betrachte den Zustand von mir als Menschen übrigens eher in einem mehrdimensionalen Koordinatensystem. Es gibt beispielsweise eine Skala von männlich bis weiblich mit unendlich vielen Zwischenstufen. Dazu kommen weitere Skalen von asexuell bis allosexuell und von homosexuell bis heterosexuell. Weitere Skalen sind natürlich möglich. Irgendwo in diesem Feld kann ich mein Kreuz machen und sagen, hier bin ich – es gibt unendlich viele Möglichkeiten dafür. Ich kann alles sein und doch bleibe ich immer, was ich bin. Mich hat diese Vorstellung sehr befreit. Es gibt einen definierten Zustand, aber ist nicht so beschränkt wie ich zunächst angenommen. Es ist kein binärer Zustand, es ist dieses unbeschreiblich weite Feld.
Manchem macht diese Vorstellung mit all ihren Möglichkeiten vielleicht Angst, weil sie Fragen aufwirft, die mensch nicht beantworten kann oder nicht beantworten will. Zu behaupten, dass es deterministisch nur zwei Zustände gibt – ist in jedem Fall ziemlich beschränkt.
Geschlechtergerechte Sprache
Und nun frage ich mich, warum wir eigentlich ernsthaft in der Sprache zwischen Mann und Frau unterscheiden müssen, wo es doch so viele andere Unterscheidungsmerkmale gibt, die nicht weniger wichtig sind. Wäre es nicht irgendwie cool, ein Pronomen zu finden, dass nicht nur ihn und sie beschreibt, sondern auch alles dazwischen? Müssen wir in der Sprache wirklich zwischen Geschlechtern trennen, wo wir doch gerade merken, wie kompliziert das eigentlich ist, wenn wir es versuchen? Wir sollten endlich loslassen.
Jedoch, ich bin ein Gegner des generischen Maskulinum, weil er den Status Quo zementiert. Dann doch lieber das generische Femininum als Bruch mit alten Gewohnheiten. Und noch lieber hätte ich etwas gänzlich Neues. Doch ich weiß, dass der Mensch ein Gewohnheitstier ist und dieser Wandel sich nur in logischen, aufeinander aufbauenden Schritten vollziehen lässt. Ich bin gespannt, wie die geschlechterneutrale Sprache der Zukunft aussehen wird. Eins ist jedenfalls sicher: Es wird sich das durchsetzen, was einfach und logisch ist.
Kommentare von Martin