„An allen Bahnhöfen im Bundesgebiet sei das Pfandsammeln untersagt, auch um ‚ästhetischen Aspekten anderer Bahnhofsnutzer Rechnung zu tragen‘, sagt eine Bahn-Sprecherin“ – und ich war vor sechs Jahren sehr empört darüber. Um welche ästhetischen Aspekte einer Bahnhofsnutzung kann es gehen, die es rechtfertigen, eine Realität aus der Öffentlichkeit verbannen zu wollen. Denn auch wenn der Bahnhof der Deutschen Bahn gehört, ist es so oder so ein öffentliches Gebäude.
Vor gut drei Jahren gab es dann eine Vorfall in München im Zusammenhang mit dem Flaschensammeln, bei dem es Hausverbot für eine ältere Frau gab und sich die Bahn erneut äußern musste:
„Man habe eben viele Kunden, die nicht mitansehen mögen, wie Pfandsammler mit tropfenden Plastiktüten in der Hand in Müllbehälter greifen. Und es sei nun einmal verboten. Setze die Bahn aber ihr Hausrecht durch, sei es vielen auch wieder nicht recht. Es werde, sagt der Sprecher, ‚eine ungelöste gesellschaftliche Diskussion auf die Bahn abgewälzt‘.“
Spiegel Online
Das Zitat, das ich heute zum ersten Mal lese, finde ich sehr treffend – ganz unabhängig davon, dass es damals im Artikel um eine Flaschensammlerin ging, die gar nicht bedürftig war und trotzdem reichlich sammelte. Angesprochen wird nämlich ein Konflikt, wie ihn in Berlin auch die BVG vor ein paar Jahren hatte. Das Unternehmen wollte nachts U-Bahnhöfe schließen, weil das Problem mit den obdachlosen Menschen größer wurde. Man fühlte sich von der Politik im Stich gelassen, obwohl das Unternehmen sich bereits für Obdachlose engagiere.
Gesellschaft, das sind wir alle
Da steht sie im Raum, diese Frage: „Gesellschaftliche Diskussion“ abgewälzt auf ein öffentliches Unternehmen – wer ist nun dafür verantwortlich? Das Unternehmen, die Politik oder die Gesellschaft? Ich glaube, dass wir manchmal gern die Schuld abwälzen oder uns hinter der Gesellschaft verstecken. Das Hinweisen für solche Missstände bleibt aber ebenso wichtig wie das Hinwirken auf eine Lösung – und beides ist eben wiederum Aufgabe eines jeden Einzelnen. Denn obwohl einer allein nichts ändern kann, wird sich nie etwas ändern, wenn nicht einer allein damit anfängt.
Dieser Tage sind weniger Menschen draußen unterwegs – doch obdachlose Menschen werden davon nicht verschwinden. Sie sind höchstens für viele von uns unsichtbar. Und gerade deswegen brauchen sie verstärkt Unterstützung. Und auch an anderer Stelle wird es wohl nötig, dass die Gesellschaft Einfluss nimmt – es hat im vergangenen Jahr in Düsseldorf ein Jobcenter gegeben, dass tatsächlich versucht hat, das Sammeln von Flaschen als Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit einzustufen…
Kommentare von Martin