Sachsen-Anhalt bezeichnete sich bis vor einigen Jahren selbst das Land der Frühaufsteher. Das Ergebnis einer Studie passte seinerzeit gut zum aufkeimenden Trend der Selbstoptimierung. Es sollte helfen, das lästige Image des nörgeligen Jammer-Ossis loszuwerden. Doch ich schätze die Menschen aus der Region genau für jene Zuschreibungen. Aus meiner Sicht vermitteln sie mir damit echte Bodenständigkeit in einer Welt, die ständig übertrieben glitzern möchte.

Die neue Audiolith-Kapelle Sorry3000 aus Halle versucht nun ebenfalls der Realität ins Auge zu blicken. Mit der Parole „Musik für Loser“ und der Genre-Beschreibung „befindlichkeitsbasierter Kartoffelpop“ haben sie bei mir direkt einen Fuß in der Tür. Schon die erste Auskopplung aus dem Album „Warum Overthinking dich zerstört“ mit dem Namen „Nasenspray“ machte mich neugierig. Das aktuelle Video zu „Du liebst mich nicht (weil ich politisch bin)“ zeigt trotz seiner Einfachheit eine herrlich übertriebene, ironische Dramatik über ein durchaus ernstes Problem.

Fitness ist mehr als ein Fitnessgerät

Echten Hit-Charakter aber beweist Sorry3000 mit „Fitness“. Es ist fröhlicher Synthie-Pop, gepaart nöliger Stimme über das leidige Trend-Thema der körperlichen Ertüchtigung. Statt sich an den Fitness-Junkies abzuarbeiten, liefert die Band das Gegenprogramm mit Anschlussfähigkeit für alle bereits ab der ersten Zeile: „Klickklick: Zeigfinger auf die Maus, das ist Fitness. Schrub schrub: Zahnbürste an Zahn, auch das ist Fitness.“

Im Refain wird dann selbst jenen, denen das immer noch zu viel ist, die gedankliche Hand gereicht: „Komm mach mit, wenn du auch fit bist. Wenn du nicht fit bist, machst du halt nicht mit.“ – Eine echte Hand würde auch zu viele Bewegung verlangen.

„Wenn man erstmal zwei Tage nicht getrunken hat, dann merkt man, dass mans gar nicht nötig hat.“

Sorry3000

Mit solchen Vergleichen wird sehr schön das eingangs beschriebene Phänomen der unterschiedlichen Perspektiven (Pro Jammern vs. Contra Prahlerei) herausgearbeitet. Was Menschen unter Fitness verstehen, ist sehr unterschiedlich. Mit dem Finger auf andere zu zeigen, ist immer entlarvend. Fitness im Verständnis von Sorry3000 macht einfach Spaß.

Als Anhänger des Teams „Sport ist Mord“ hoffe irgendwie trotzdem auf einen kleinen Gedankenanstoß im Kopf jener Sport-Besessenen, die andere zu mehr Bewegung motivieren wollen, aber selbst mit dem Auto ins Fitness-Studio fahren, um dann dort auf dem Laufband oder Fahrrad zu schwitzen.

Manchmal reicht auch das: Ich wohne im 5. Stock ohne Fahrstuhl und auch Geschlechtsverkehr verbrennt ein paar Kalorien. Ich würde außerdem gern noch das Tanzen dazu zählen, doch das ist leider weiterhin ein untragbares Risiko für die Gesundheit – schlecht belüftete Fitness-Studios übrigens nicht.

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Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=vnP2eZoTzm8
„Fitness“ von Sorry3000 auf Youtube. Anhören auf Spotify oder Apple Music.
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