Schicksal ist ein Hirngespinst. Es gibt immer eine Wahl, selbst wenn die Aussichten trübe sind. Allerdings glaube ich an den überraschenden Zufall – und das finde ich legitim. Wer dem Schicksal die Tür öffnet, hat die selbsterfüllende Prophezeiung als lästigen Dauergast im Hinterstübchen. Wer sich dem Schicksal ergibt, ertränkt das schönste Geschenk des Lebens mit der Bitterkeit, die es manchmal mit sich bringt. Sich dem Schicksal ergeben, das ist eine Sackgasse an deren Ende nur Neid und Eifersucht warten. Und diese Flitzpiepen haben wirklich nischt auf dem Kasten. Da hilft nur eine pittoreske Drehung um 90 Grad und ein ganz unauffälliger Spaziergang zurück zur nächsten Kreuzung – keine schlafenden Hunde wecken!

Eng damit verbunden ist übrigens das große Unglück, welches Neugier und Mut beim Heranwachsen in Lethargie und Stumpfsinn verwandelt. Nicht ohne Grund sagte wohl ein schlauer Mensch einmal: „Es ist nie zu spät für eine glückliche Kindheit“ – gelesen auf einem Aufkleber, der mich irgendwann zufällig auf einem Glascontainer um die Ecke anlachte.

„Don’t grow up, it’s a trap.“

— Ron Rineck

Während das Schicksal feststeht und damit in der Theorie auch vorhersehbar sein müsste, bleibt der Zufall immer unberechenbar. Es können nur Aussagen über seine Wahrscheinlichkeit getroffen werden – wie für einen Lottogewinn. Manchmal sind Wege und Fügungen sogar derart absurd, dass sich schon deswegen jeglicher Glauben an spröden Schicksal verbietet. Ein ordentlicher Zufall packt dich am Schlafittchen und reißt dich in Abgründe, wirft dich wild in die Luft oder fängt dich federleicht wieder auf. Irgendetwas ist immer. Dem Zufall kann auch niemand ein Bein stellen oder auf die Sprünge helfen, denn der Zufall war immer schon vorher da – wie der Igel im Wettrennen mit dem Hasen. Zufall ist jene Würze im Leben, die Mathematiker, Informatiker und Betriebswirte in den Wahnsinn treibt – und mir aus genau eben jenem Grund das Herz aufgehen lässt.

Schon der Mensch an sich ist ein ziemlicher Zufall – und für das Universum wahrscheinlich noch dazu ein ziemlich banaler, vielleicht sogar eher ein Unfall. Immerhin gibt es auch solche Menschen, die zur Überhöhung ihres Stolzes über einen Vogelschiss in der Geschichte schwadronieren und dabei nicht einmal ihre eigene Bedeutungslosigkeit erkennen. Ich hingegen mag den Zufall wirklich richtig gern. Weil irgendein Lurch aus dem Wasser gekrochen kam. Weil bei Flora und Fauna überraschenderweise doch die Kleinsten und nicht die Größten durchgesetzt haben. Weil die Evolution dem Paarungsverhalten eine Chemiekeule, besser bekannt als Liebe, spendiert hat. Weil der Vater meines Vaters sich hat von zwei wunderschönen Augen in die finstere Provinz locken lassen. Weil die Mutter meiner Mutter dem Ärger und der Verzweiflung ins Gesicht gelacht hat. Und weil meine Mutter vielleicht auch deswegen in größter Dunkelheit das Licht gefunden hat – nur deshalb bin ich überhaupt hier. Wegen irgendeines Lurchs!

Ja, ich bin wirklich hier. Ich bin hier und ich kann diesen belanglosen Sülz aufschreiben. Ich finde das schon ein bisschen geil. Und genau das kam mir gerade zufällig wieder in den Sinn und ich fand es irgendwie wichtig, es auch einmal aufzuschreiben. Vielleicht für später oder vielleicht für einen anderen Menschen, der das entweder genauso sieht oder der diese Perspektive noch nicht kannte.

Aber dazu vielleicht noch eine kleine Anmerkung. Es kommt eventuell so rüber kommt, als wäre der Zufall auch nur so eine Art Schicksal mit freundlichem Antlitz. Der Zufall mag uns hergebracht haben und gelegentlich wirft er dir eine glückliche Chance vor die Füße. Doch, und das ist essentiell wichtig, weil noch einmal das schönste Geschenk unseres Lebens in den Fokus rückt: Danach Bücken musste dich dann schon selbst. Iss klar, ne.

Loading spinner